Erinnern wir uns an die 1990er Jahre: Die ersten privaten Radiostationen wuchsen allmählich aus den Kinderschuhen. Radiowerbung wurde erstmals in der deutschen Rundfunkgeschichte auch auf lokaler Ebene möglich. Tageszeitungen, Stadt-Magazine und Zeitschriften sahen ihre Felle schwimmen und verkauften Anzeigen zu Dumpingpreisen. In der Folge monierten zahlreiche Anzeigenkunden, dass ihr Geld in wahren Anzeigen-Friedhöfen verschwände und von Erfolg durch die Printwerbung keine Rede mehr sein könne.
Jetzt, nicht einmal zwanzig Jahre später, erleben wir das gleiche Szenario erneut. Schauplatz ist diesmal das Internet. Die werbetreibende Wirtschaft folgt dem Mainstream und setzt auf Google, Banner, Interstitials, AdSpecials und Social Networking. Gleich der Weitsicht von Behörden, scheint dabei niemandem aufzufallen, dass seine Botschaft in der Masse den gleichen Stellenwert erlangt, wie ein Stück Holz, das man in den Wald schleppt. Obendrein verschlingen diese Werbeformen viel Zeit und Geld – denn Werbung im Internet muss ständig gepflegt und aktualisiert werden.
Das World Wide Web quillt allmählich über anhand der Flut aus Entertainment, Information und Werbung. Die ersten Rabattschlachten sind bereits voll im Gang. Nicht nur bei den Vermarktern, sondern auch bei den werbenden Unternehmen. „Deals“ ist nur ein Stichwort, welches das Überangebot im Web wohl sehr treffend beschreibt. Täglich werden wir überhäuft mit einmaligen Deals. Reisen, Konzerte, Restaurants, Schuhe, Wein, Oberbekleidung, Möbel, Accessoires, Schmuck, Elektronik… Es drängt sich fast der Eindruck auf, den Anbietern stünde das Wasser bis zum Hals. Was sie jedoch nicht erkennen ist, dass sie durch derartige Geschäfte keine Kundenbindung schaffen, sondern sich lediglich einreihen in die lange Schlange der Ernährer des Geiz-ist-geil-Kraken. Denn bereits wenige Tage nach getätigtem Geschäft interessiert es den Konsumenten nicht mehr, wo er das Schnäppchen gemacht hat, denn der nächste „Dealer“ lauert ja schon hinter dem nächsten Klick.
Die Alleinstellung ist passé. Oder ist Ihnen schon einmal von einem Anbieter mitgeteilt worden, dass er Ihre Werbung auf seiner Website nicht mehr unterbringen kann, weil gerade alles ausverkauft ist? „Wir setzen jetzt auf Internet“, hieß es in letzter Zeit häufig von Marketingverantwortlichen. Lässt man sich diesen Satz einmal auf der Zunge zergehen, klingt er fast, als würde man den Werbetat beim Roulette verspielen – was möglicherweise nicht weit von der Realität entfernt ist.
Es gibt jedoch auch bereits viele geläuterte Unternehmer, die die Zeichen der Zeit richtig erkannt haben und ihre Spendings wieder in sichere Häfen steuern. Eine Berliner Biomarkt-Kette hatte im Jahr 2009 ihre Radiowerbung eingestellt und verstärkt auf die Webpräsenz und Social Media gesetzt. Am Ende desselben Jahres wurde wieder einmal eine Studie in Auftrag gegeben, um festzustellen, wo man sich denn derzeit in der Gunst der Konsumenten befindet. Mit Erschrecken musste das Marketing des Unternehmens feststellen, dass die Bekanntheit der Marke um 60 Prozent eingebrochen war. Nervöse Unruhe machte sich breit und es wurde nach einem Rettungsanker gesucht. Schnell erinnerte sich der Geschäftsführer, dass er in der Vergangenheit gute Radiowerbung geschaltet hatte und somit mussten wir in Windeseile die schlummernde Funkkampagne aus ihrem Dornröschenschlaf erwecken. Nach nur wenigen Wochen war der gute Ruf wiederhergestellt und im darauffolgenden Frühjahr lag der Bekanntheitsgrad in der ungestützten Befragung wieder annähernd auf dem alten Niveau.
Mit dem richtigen Gespür erlangt Radiowerbung schnell den Stellenwert der geschätzten Mundpropaganda. Und die ist noch immer deutlich wertvoller, als der Deal des Tages.
Ein anderer Kunde hat uns kürzlich in Kenntnis gesetzt, dass er sich in Zukunft verstärkt ins Web ausdehnen will und demzufolge bei der Radiowerbung massiv einsparen muss. Wir nehmen dies gelassen zur Kenntnis, lehnen uns zurück und lassen den Dingen freien Lauf. Denn auch dieser Kunde wird in ein paar Monaten feststellen müssen, dass es schwerer ist, wegzuhören als wegzuschauen. Schließlich ist es das Ohr, das 24 Stunden geöffnet hat – nicht das Auge…