Es ist Sonntagmorgen. Kein Druck, kein Stress, du kannst einfach noch liegen bleiben und in den Tag hinein dösen. Ach, herrlich diese kleine Auszeit, die nur dir gehört. Du drehst dich auf die Seite und überlegst, was du mit diesem Tag noch anfangen wirst. Aber erstmal gibt es ja keine Notwendigkeit aufzustehen. Mit einem ohrenbetäubenden Getöse fliegt die Tür auf und eine übermässig gut gelaunte junge Frau stürmt herein. Mit aufgesetzt anmutender Fröhlichkeit brüllt Sie dir entgegen „MoMi, MoMi! Bei Kaufland ist jetzt immer alles günstiger!!!“. Bingo, das war’s dann mit dem erholsamen Sonntag. Deine Laune sinkt in Bruchteilen einer Sekunde auf den Nullpunkt. Du ziehst das Kissen über den Kopf und denkst: Das kann doch alles nicht wahr sein!
Es mag etwas überzogen wirken. Doch abgesehen vom Live-Auftritt der jungen Speed-Konsumentin, kann Werbung im Radio problemlos jede positive Stimmung zunichte machen. Sicherlich bleibt die Message im Unterbewusstsein der Rezipienten haften. Doch sollte man nicht unterschätzen, dass zahlreiche potenzielle Kunden sich abwenden und ihre Einkäufe zur Konkurrenz verlagern. Werber und Werbende beschwichtigen bei diesem Thema gerne und behaupten, diese Gruppe sei ja wohl nur sehr klein. Doch selbst, wenn es nur fünf Prozent sein sollten, die abwandern – warum wollen Sie auf deren Umsatz verzichten?
Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck
Der Radiospot ist sehr häufig der erste Kontakt, den Unternehmen und Marken mit ihren Zielgruppen haben. Schon in den ersten drei bis vier Sekunden entscheidet sich, ob Hörende Ihrem Spot weiterhin die Aufmerksamkeit widmen oder sich zurückziehen. In dieser Hinsicht kommt der akustische Kontakt einer persönlichen Begegnung zwischen zwei Menschen gleich. Diese persönliche Begegnung betreffend, ist uns allen der alte Grundsatz geläufig, nachdem es keine zweite Chance für den ersten Eindruck gibt. Zwar mag man später seine Haltung bezüglich der ersten Begegnung revidieren. Doch die Synapsen sind verknüpft. Dies geschieht im Unterbewusstsein – rasend schnell. Selbst wenn unser Bewusstsein sich später nicht mehr an die unangenehme erste Begegnung erinnern wird, sind negative Reize gespeichert und bleiben damit verbunden. Der berüchtigte Beigeschmack wirkt nach.
Vermutlich wird es nie ein Konzept geben, das einhundert Prozent der Radio oder Streaming Hörenden gefallen wird. Jedoch bestehen ausgezeichnete Chancen, Spots derart zu gestalten, dass sie wenigstens nicht negativ in Erinnerung bleiben. Es wird immer Menschen geben, die sich nicht von einer Werbung abgeholt fühlen oder die keinen Bezug zum beworbenen Produkt haben. Wir müssen ihnen aber nicht vermitteln, dass ihr Wohlbefinden uns egal ist.
Einschläfern oder Hörsturz?
Beinhaltet ein Spot beispielsweise Musik, liegt es an uns Kreativen und an den Werbenden zu entscheiden, ob wir brutale Heavy Metal Sounds verwenden. Läuft dieser Spot dann bei einem Schlagersender, sind Ablehnung und Entsetzen vorprogrammiert. Entscheiden wir uns jedoch für chillige Lounge-Tracks, werden wir weder den Heavy Metal Fan einschläfern, noch dem Schlager Fan zu einem Hörsturz verhelfen. Mit der Stimmen-Auswahl verhält es sich ähnlich. Hier entscheidet nicht nur das schauspielerische Talent. Auch die Stimmfarbe spielt eine gewaltige Rolle, wenn es um Sympathie geht. Lidl hat vor einigen Jahren entschieden, nach Influencerin klingen zu wollen. Das mag bei einer jungen und weiblichen Klientel gut ankommen. Bei vielen reiferen Konsumenten erzeugt es das Gegenteil.
Die Stärken von Radio und Audio sinnvoll nutzen
Die großen Stärken von Radio und Audio liegen im Unterhaltungs- und Informationswert der akustischen Medien. Immer mehr Menschen entscheiden sich für das Hören. Dies erleichtert einerseits den Umgang mit anderen Tätigkeiten, weil Augen und Hände frei verfügbar sind. Es ermöglicht überdies auch die Chance, mehr zu erfahren und zu erleben. Der Nutzen von Freiheit, Freizeit und Entertainment nimmt einen immer größeren Platz in unserem leben ein. Wir wollen unterhalten und informiert werden. Zu diesem Zweck koppeln Menschen sich zunehmend vom Alltag ab, indem sie Ohrstöpsel verwenden. Als Absender von Audio-Botschaften jeder Art haben wir somit direkten Zugang zu einem unserer wichtigsten Sinne: dem Gehör. Man könnte diese Nähe zu Zielgruppe sogar als „intim“ bezeichnen. Entsprechend sollten wir diese Chance nutzen, die Sympathie und Zustimmung der Rezipienten zu erlangen.
Sympathie spart Geld
Es liegt an uns Werbern zu entscheiden, ob wir den Konsumenten wehtun oder gefallen wollen. Gelingt es uns, die Stärken der jeweiligen Medien zu übernehmen und sie auf die Werbung zu übertragen, ist der Erfolg vorprogrammiert. Die Medienforschung geht bislang davon aus, dass Rezipienten drei bis vier Kontakte mit dem Spot benötigen, um sich zu erinnern. Mittels unterhaltsamer und humorvoller Spots ist es uns wiederholt gelungen, bereits nach dem ersten Kontakt Response zu erhalten. Somit wirkt sich sympathische Werbung auch positiv auf das Budget für Media und auf das Image des Mediums selbst aus.
Mit positiv beeindruckenden Spots ist es somit möglich, den Wirkungsraum auszudehnen. Je schneller ein Motiv Wirkung zeigt, umso größer sind die Chancen, das Budget auf größere Audioflächen und somit Zielgruppen auszuweiten. Ist ein Media-Etat zunächst nur für UKW vorgesehen, so kann bei guter Funktionalität des Spots auch noch Streaming addiert werden. Ohne dafür noch tiefer in die Tasche greifen zu müssen.
Einen ganz wichtigen Fakt dürfen wir keinesfalls unberücksichtigt lassen: Die Kreativität. Wirklich gute Ideen für Audiospots entstehen niemals durch das Kopieren der Wettbewerber. Gute Konzeptionen für Audio können nur von Machern entwickelt werden, die das Medium Audio sehr gut kennen und verstehen. Ferner müssen die Interessen der Konsumenten zwingend erkannt werden.
Können Sie es sich leisten, schlecht zu klingen?