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gecastete Kühe

Die Kuh im Graspelz

Noch vor einigen Jahren erlaubten wir uns zu behaupten, dass es eigentlich gar keinen Unterschied zwischen einem Bio-Supermarkt und einem konventionellen Supermarkt gibt. Weitgehend stimmt diese Theorie auch heute. Und dennoch stellt sich mehr und mehr eine schizophren anmutende Situation ein, in der das Gleiche dann doch sehr unterschiedlich ist.

Erste Kratzer bekam unsere Theorie, als zunehmend Bio-Produkte Einzug in die Regale der bekannten Nahversorger hielten. Denn plötzlich waren EDEKA, REWE, Kaiser’s und Co. gleicher als die Bio-Supermärkte. Denn neben dem konventionell erzeugten Vollsortiment wurde nun Platz geschaffen für Produkte aus dem Öko-Garten. Ein zweites Standbein federte ab sofort die ins Wanken geratene Nachfrage der Verbraucher ab, die zunehmend die Biomärkte frequentierte und sich keinesfalls mehr schämte, wenn sie nicht im selbst gestrickten Pullover aus heimischer Schafwolle über die Schwelle des einst gefürchteten Müsli-Universums sprang.

In die Biomärkte würde solch ein zweites Standbein nicht Einzug halten können, da die Linie Konsequent ist und die Schelte der Verbraucher nicht lange auf sich warten lassen würde. Flux wäre ein mühselig aufgebauter Ruhm in Gefahr gebracht und das Vertrauen der Kunden würde binnen weniger Tage weichen, wie Biogas aus einer leckgeschlagenen Biogasanlage.

Vermarkter und Verbraucher bewerten das Angebot deutlich mit zweierlei Maß. Wird im erklärten Bio-Fachmarkt penibel jedes noch so kleine Körnchen auf die Goldwaage gelegt, gestattet man dem alteingesessenen Handel offenbar jede Menge Freiheit und Gestaltungsspielraum im Marketing. Ein äußerst interessanter Schachzug ist EDEKA mit Bio-Janssen gelungen. Das Etikett einer jeden Bio-Janssen Verpackung ziert das Foto eines etwa 30 jährigen Mannes mit Latzhose und rustikalem Holzfällerhemd.

Jau, dem kaufe ich ab, dass er was vom Öko-Landbau versteht. Den hat der Vater (der sich selbst noch Landwirt nannte) bestimmt für viel Geld auf die Uni geschickt und Agrarwissenschaften oder etwas in der Art studieren lassen. Nach dem Studium ist er dann zurück auf den elterlichen Hof und hat erstmal alles umgekrempelt, was nach neuestem Stand der Wissenschaft eher Schnee von gestern ist.

Blöd nur, dass der, den wir für Bauer Janssen halten, in Wahrheit wahrscheinlich noch nie eine Mistgabel in der Hand gehalten hat – handelt es sich bei dem Herrn auf dem Etikett doch lediglich um Jakob Rohde, der sich als Schauspieler und Darsteller verdingt. Immerhin: Den Bauer Janssen verkörpert er glaubwürdig – so lange, bis man bei der Fotorecherche auf Google recht zügig auf seine Website stößt (Nachtrag: Die Website des Schauspielers ist mittlerweile entfernt worden… Oops, haben wir da etwas losgetreten??).

Im echten Biomarkt dagegen, sieht es wesentlich ehrlicher aus. Ziert dort das Konterfei eines Landmannes oder einer Landfrau ein Etikett oder einen Beileger, so dürfen wir uns darauf verlassen, dass diese auch echt sind und wissen, wofür sie ihr Gesicht in die Kamera halten. Auf den Fotos der Bio-Erzeuger sind allenfalls die Kühe gecastet worden. Und selbst dies geschieht mit großer Wahrscheinlichkeit direkt auf dem Erzeuger-Hof.

Nun ist also das Gleiche doch unterschiedlicher geworden, als es ursprünglich einmal der Fall gewesen ist. Während die Gemeinde der Verbraucher vom Bio-Supermarkt uneingeschränkte Transparenz fordert, genehmigt die Konsumgesellschaft an anderer Stelle augenscheinliche Flunkereien, die der Attraktivität von Bio-Produkten dienlich sein sollen, die ihren Platz neben dem Regal mit den Erzeugnissen konventionellen Landbaus einnehmen. Gleich ist beiden Anbietern heute nur noch die Tatsache des Vollsortiments. Dabei bedient sich der tradierte Supermarkt an der teuer erkauften Reputation des ungeliebten Mitbewerbers und kopiert dessen Angebotspalette, die dann unter Einsatz geschickten Marketings unters Volk gejubelt wird. Hurra.